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Prof. Dr. Winfried Schulze
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Dr. Ralf-Peter Fuchs, wiss. Mitarbeiter, Projektteil "Normaljahre"
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Edith Koller, M.A., wiss. Mitarbeiterin, Projektteil "Kalendernorm"
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Eva Jacobi, stud. Hilfskraft
Die Autorität der Zeit in der Frühen Neuzeit
Vorträge der Projektleiter/Mitarbeiter
Das Projekt wendet sich zwei Problemfeldern zu, die innerhalb der pluralen Konfessionslandschaft im Alten Reich eine große Rolle spielten: der Gestaltung des Zusammenlebens der Untertanen auf der Basis der Normaljahrsregelung des Westfälischen Friedens und dem Umgang mit dem durch die Gregorianische Kalenderreform 1582 entstandenen Zweikalendersystem. Beide Bereiche waren durch ein Ineinandergreifen von Aspekten zeitlicher und konfessioneller Ordnung geprägt; beide Bereiche waren mit dem Problem eines konfessionell bedingten, politischen Manövrierens mit Zeitvorstellungen verbunden. In diesem Zusammenhang soll zum einen untersucht werden, inwieweit die Suche nach einer 'objektiven' Zeit und der Wahrheitsanspruch der Konfessionen in ein Spannungsverhältnis gerieten; zum anderen soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit zeitliche und konfessionelle Ordnung sich gegenseitig bedingten und in den Alltag der Untertanen hineinwirkten.
Mit der sogenannten Normaljahrsregelung im Westfälischen Frieden wurde – der Forschung zufolge – die bislang vorherrschende Ebene der Konfliktverarbeitung über ein 'Temporisieren' verlassen und die neue Ebene eines endgültigen 'freezing' bestehender religiöser Verhältnisse betreten. Dieser Anspruch basierte einerseits auf der Akzeptanz einer Koexistenz verschiedener, de facto dreier Konfessionen, andererseits war er konsequent auf eine Verhinderung einer weitergehenden religiösen Pluralisierung und Veränderung ausgerichtet. Im ersten Teilprojekt wird der Genese der Normaljahrsregelung im Zuge der Friedensverhandlungen im Dreißigjährigen Krieg nachgegangen und untersucht, inwieweit die konfessionelle Neuordnung auf der Basis eines letztendlich willkürlichen Datums vor Ort gestaltet wurde.
Das zweite Teilprojekt beschäftigt sich mit den Auswirkungen der Gregorianischen Kalenderreform. Da die Kalenderfrage mit Glaubenspositionen in Beziehung gesetzt wurde, gilt es zunächst zu ermitteln, inwieweit dies eine identitätsstiftende Wirkung hatte. Zentral ist darüber hinaus die Frage, wie sich langfristig die Parallelität zweier Kalender im Alltag der Untertanen auswirkte. Neben der Betrachtung des praktischen Umgangs mit dem Zweikalendersystem durch Obrigkeiten und Untertanen, wird zudem der wissenschaftlich-gelehrte Diskurs zur Kalenderfrage in den Blick genommen. Es wird untersucht, inwieweit dieser Diskurs auch außerhalb der gelehrten Kreise aufgenommen wurde und dabei zunächst zur Verfestigung der Kalendersysteme, schließlich jedoch zur Vereinheitlichung des Kalenders beitrug. Trotz der grundsätzlichen Kalendervereinigung im Jahr 1700, kam es auch im 18. Jahrhundert aufgrund konfessionell unterschiedlicher Regelungen zur Berechnung des Osterfests zu Feiertagsstreitigkeiten. Auch diese scheinbar anachronistischen Auseinandersetzungen sollen analysiert und mit den zuvor ausgetragenen Konflikten verglichen werden. Das übergeordnete Ziel des Projektteils "Kalendernorm" ist es, den Verlauf der Auseinandersetzungen um die frühneuzeitliche Kalenderreform — von ihrem Inkrafttreten 1582 bis zur endgültigen Beseitigung aller Streitpunkte im Jahr 1776 — genau zu erfassen, um so Kontinuitäten und Veränderungen im Umgang mit gesetzten Zeitnormen über einen längeren Zeitraum hin aufspüren zu können.
Im Zentrum des Projekts C8 stehen somit Ordnungskonzepte territorialstaatlicher Kräfte und Auseinandersetzungen sowie Konfliktbewältigungsstrategien seitens konfessioneller Gruppen. Nachgegangen wird aber auch Fragen nach der Akzeptanz konfessionell übergreifender Gesichtspunkte bei der Zukunftsgestaltung innerhalb der Bevölkerung und der Obrigkeiten. Dabei treffen sich beide Themenbereiche immer wieder in der Fragestellung, inwieweit beiden Problemfeldern nicht auch ein Konflikt zwischen einem von religiösen Vorstellungen geprägten und einem sich davon lösenden pragmatischen Zeit- und Zukunftsverständnis immanent ist.