C  4  Verrechtlichung der Internationalität. Vor- und Frühformen des Völkerrechts in theoretischer Reflexion und politisch-diplomatischer Praxis (15. bis 17. Jahrhundert)
(Wissenschaftsgeschichte, Kultur-, Politik- und Rechtsgeschichte des Mittelalters und der frühen Neuzeit)


ausgelaufenes Teilprojekt
Historisches Seminar, Abteilung Wissenschaftsgeschichte und Universitätsgeschichte

Postadresse: Geschwister-Scholl-Platz 1, 80539 München
Telefon: 089-2180-5442
Telefax: 089-2180-5671

Projektleiter

Prof. Dr. Martin Kintzinger
a href="mailto:Wissenschaftsgeschichte@lrz.uni-muenchen.de">Wissenschaftsgeschichte@lrz.uni-muenchen.de

Mitarbeiter

Dr. des. Petra Ehm, wiss. Mitarbeiterin
petra.ehm@lrz.uni-muenchen.de
089-2180-5443

Projektbeschreibung

Das Teilprojekt 'Verrechtlichung der Internationalität' geht von der Feststellung aus, daß sich in den vermehrten und zunehmend verflochtenen äußeren Einflüssen auf die Regna und Länder Mitteleuropas seit der Endphase des Hundertjährigen Krieges ein Pluralisierungsvorgang darstellt. Er war von zentraler und bislang unterschätzter Bedeutung für den weiteren Verlauf der europäischen Geschichte am Beginn der Frühen Neuzeit. Die Zunahme innerer Konflikte in den einzelnen Herrschaftsräumen führte gleichzeitig zu einer bis dahin unbekannten Internationalisierung der Kontakte und damit zu einer insgesamt erheblichen Erweiterung und Ausdifferenzierung der Erfahrungsbereiche. Hierin lag zugleich ein Krisenphänomen, weil trotz der Pluralisierung der Einflußfaktoren je länger desto mehr wirkmächtige Autoritäten fehlten.

Verfahrensformen aus den Traditionen der europäischen Adels- und Hofkultur boten sich als Instrumentarien internationaler Kontakt- und Konfliktregelung an. Der Austausch von Gesandtschaften oder der Umgang mit Gefangenen und die Formalitäten eines Herrschertreffens beispielsweise waren seit langem zwischen den Regna durch gemeinsame Formen des Umgangs geregelt. Auf der Basis gemeinsamer Wertsozialisation waren sie grenzenübergreifend anwendbar, waren aber lediglich oral tradiert und blieben ohne rechtliche Normierungsfunktion. Bislang noch weitgehend unbekannt ist, wie man aus ihnen sukzessive Denkmodelle der theoretischen Reflexion und praktischen Anwendung in Politik und Diplomatie entwickelte, die durch Verschriftlichung zu allgemein anerkannten Rechtsnormen der internationalen Kommunikation wurden.

In dem Teilprojekt wird dieser Vorgang als Verrechtlichungsprozeß beschrieben. Insbesondere wird zu untersuchen sein, wie dadurch ein differenziertes Völkerrecht herausgebildet werden konnte. Die theoretische Begründung dieses Völkerrechts folgte praktischen Erfordernissen und sollte diesen zugleich zur Norm künftigen Handelns werden. Wegen seines Praxisbezuges ist das Völkerrecht deshalb nicht vorrangig als Gedankengebäude zu verstehen, sondern gerade auch in seiner autoritativen Anwendung in Politik und Diplomatie zu beschreiben. Seine Genese wird künftig nicht mehr als unvermitteltes Einsetzen neuer Denkformen verstanden und dargestellt werden können, sondern als theoretischer Reflex auf eine veränderte Realität, als Rückgewinnung von Autorität in einer Zeit expandierender Pluralisierung.

Im einzelnen wird danach zu fragen sein, inwieweit bilaterale Friedensverhandlungen und gegenseitige Gesandtschaften, diplomatische und militärische Begegnungen und Herrschertreffen oder die ökumenischen Konzilien Foren der Kommunikation boten, auf denen eine internationale Verständigung über Erfahrungen und die Lösung gemeinsamer Probleme möglich wurden. Die internationalen Herausforderungen der Kirchenspaltung, der Türkenbedrohung oder des Hussitismus, nicht zuletzt auch diejenigen von ökonomischen Krisen oder Seuchenzügen werden als Elemente der Pluralisierung von Erfahrungen zu beschreiben sein.

Die aus der überkommenen Hof- und Ritterkultur gewonnenen Instrumentarien internationaler Verständigung werden daraufhin zu untersuchen sein, ob sie dem Umfeld oraler Tradition verbunden blieben, wie die Geiselhaftung, oder sich einer Verschriftlichung und Verrechtlichung öffneten und damit zur Ausbildung einer eigenständigen, autoritativen rechtlichen Norm tendierten, wie etwa das Geleit. Schließlich wird zu untersuchen sein, wie sich derartige Verfahrensformen ritueller Repräsentation mit der seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert niedergeschriebenen Reflexion über das Natur- und Völkerrecht verbanden. Bis zum 17. Jahrhundert fand es Eingang in ein sich weiter entwickelndes Genus von Traktatliteratur.

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